Archiv der Kategorie: Sprache

Der Vater und die Freundin:
Definitartikel in possessiver Verwendung

Wenn man im Deutschen auf etwas Definites verweisen will, hat man die Wahl zwischen verschiedenen Artikelwörtern. Man kann den Definitartikel (auch: bestimmter Artikel) wählen: ›der Baum‹. Demonstrativartikel werden ebenfalls üblicherweise als definit aufgefasst: ›Dieser Baum‹ und ›jener Baum‹ sind zwei bestimmte Bäume. Das Gleiche gilt für Possessivartikel: ›Mein Baum‹ ist nicht irgendein Baum. Diese Artikelwörter sind aufgrund ihrer Bedeutung meist nicht gegeneinander austauschbar – aber manchmal anscheinend doch. Ich bin vor Kurzem auf eine Konstruktion gestoßen, in der einige Sprecherinnen und Sprecher Possessivartikel durch Definitartikel ersetzen. Gelesen habe ich im Techniktagebuch (für das ich selbst auch schreibe) den folgenden Satz, der am Anfang eines Textes steht:

Wenn wir mit einem Mietwagen in fremden Gegenden unterwegs sind, haben wir – der Mann und ich – immer unser eigenes Navigationsgerät […] dabei.

›Der Mann‹ ist in diesem Text der erste Verweis auf eine Person, bei der es sich um den Ehemann der Autorin zu handeln scheint. Das klingt ungewöhnlich in meinen Ohren. Wenn ich ›der Mann‹ lese, erwarte ich, dass es um eine Person geht, die bereits in den Text eingeführt wurde (›Ich sah einen Mann mit einem grauen Schlapphut. Der Mann …‹), oder dass das definite Nomen im Satz selbst näher bestimmt wird, zum Beispiel in Form einer eingebetteten Possessivphrase (›der Mann meines Chefs‹) bzw. eines erklärenden Nebensatzes (›der Mann, der hier auf der Ecke wohnt‹). Das alles ist in dem Satz aus dem Techniktagebuch nicht der Fall. ›Der Mann‹ wird weder näher bestimmt noch wurde er bereits vorgestellt. Ich hätte an dieser Stelle ›mein Mann‹ geschrieben, also einen possessiven Artikel verwendet – aber ich glaube nicht, dass die Autorin des Textes einen Fehler gemacht hat. Zum einen geht es in dem zitierten Text noch ein paar Mal um ihren Ehemann, der in allen Fällen mit ›der Mann‹ bezeichnet wird (wo ich jeweils an ›mein Mann‹ festhalten würde). Diese Konstruktion wird von ihr also systematisch verwendet. Zum anderen stößt man beim Blättern im Techniktagebuch, das ich hier als kleines, bequem durchsuchbares Korpus verwenden möchte, auf weitere Belege desselben Typs:

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Auf ein Wort (21): Burger

Burger dt. [ˈbœɐ̯ɡɐ]

Der DUDEN irrt eher selten, aber in diesem Fall liegt er meines Erachtens falsch. Die aktuelle Ausgabe des Rechtschreibwörterbuchs (auch online) transkribiert das englische Lehnwort ›Burger‹ als [ˈbøːɐ̯ɡɐ]. Diese Lautung kann ich mir in einer Varietät, die dem, was man als Standardsprache bezeichnen könnte, nahekommt, nicht recht vorstellen. In den Teilen Norddeutschlands, in denen man ungespannte Kurzvokale vor /r/ spannt und längt, also ›Herz‹ [heːɐ̯t͜s] ausspricht, wird sicher hier und da mal ein [ˈbøːɐ̯ɡɐ] geordert. Ansonsten dominiert das [œ] als Wiedergabe des nicht-rhotischen [ɜː] bzw. des rhotischen [ɝː] im Englischen. Auch der Sprecher, dessen Aufnahme auf der DUDEN-Website hinterlegt ist, sagt [ˈbœɐ̯ɡɐ]. Die Transkription der gängigeren Lautung hätte man in einem Produkt aus eigenem Hause nachsehen können, nämlich dem Aussprachewörterbuch. Der ›Burger‹ wird hier nicht geführt, wohl aber der ›Hamburger‹. Den spricht man laut Band 6 entweder [ˈhɛmbøːɐ̯ɡɐ] (vielleicht hat der Fehler hier seinen Ursprung) oder eben [ˈhɛmbœʁɡɐ]. Dass /r/ nach dem korrekten Kurzvokal als konsonantisches [ʁ] (bzw. [r] nach der dortigen Transkriptionskonvention) statt als vokalisches [ɐ̯] wiedergegeben wird, ist ein Detail. Die konsonantische Umsetzung wirkt ein bisschen förmlicher, ohne dass die Vokalisierung informell wäre. Auch das Deutsche Aussprachewörterbuch (Krech et al. 2009) gibt die Aussprache als [hˈɛmbœːɐɡɐ] wieder. Warum der Vokal hier lang transkribiert wird, weiß ich nicht; meines Erachtens ist er kurz. Nicht verschwiegen werden soll übrigens ein Unterschied zwischen Burger mit und ohne Ham, dem alle genannten Wörterbücher Rechnung tragen. Den mit kann man nämlich auch [ˈhambʊʁɡɐ] aussprechen, also wie einen Einwohner des Stadtstaats (in dem bestimmt einige Leute [ˈbøːɐ̯ɡɐ] bestellen). Beim bloßen ›Burger‹ begegnet man der deutschen Aussprache nicht.

Im Niederländischen ist es übrigens umgekehrt: Nicht für ›Hamburger‹, sondern für ›Burger‹ gibt es zwei mögliche Aussprachen (wozu der Van Dale, der niederländische DUDEN, allerdings nichts sagt). Der mit Ham lautet immer /ˈhɑmbʏrxər/, was aus dem Mund eines westniederländischen Sprechers zum Beispiel [ˈɦɑmbɵ̟ɹx̠ɚ] lauten könnte, in Belgien eher [ˈɦɑ̟mbʏ̈ɾɣəɾ]. Die letzten beiden Silben sind dabei identisch mit der Aussprache des Wortes für ›Bürger‹, also ›burger‹. Dieselbe Aussprache kann man ebenfalls verwenden um den anderen ›burger‹ – das belegte Brötchen – zu bezeichnen. Alternativ kann der Burger ohne Ham aber auch /ˈbʏrɡər/ ausgesprochen werden – mit einem Lautwert für orthografisches ›g‹, der im Niederländischen nur in Fremdwörtern (game, goodie, gestalt, glühwein, garçon, gobelin) zu finden ist. Diese Aussprache ist allerdings weniger gängig als die, bei der der verzehrende Bürger und der verzehrte Burger genau gleich lauten. Dafür, dass im Niederländischen als betonter Vokal schlicht /ʏ/ verwendet wird, also die in Nicht-Lehnwörtern häufigste Realisierung von orthografischem ›u‹, sehe ich zwei Gründe: Zum einen hat Niederländisch zwar ein Phonem /œː/, wie es im Deutschen (und Französischen) für den englischen Vokal eingesetzt wird, aber außer in einigen Lehnwörtern kommt es praktisch nicht vor. Zum anderen ist [ɵ], die Realisierung von /ʏ/ in den Niederlanden, dem englischen Vokal ohnehin recht nah, womöglich näher als das deutsche [œ]. Die optimale Lösung scheint also zugleich die einfachste zu sein. Wann kommt so was schon mal vor?

Auf ein Wort (20): Jupiler

Jupiler frz. [ʒypiˈlɛːʀ]

Jupiler ist eine Biermarke aus dem französischsprachigen Teil Belgiens, der Wallonie. Sie hat ihren Namen von dem Ort, in dem sich die Brauerei Piedbœuf [pjeˈbœf] befindet, die dieses Bier braut: Jupille-sur-Meuse [ʒyˌpij syʀˈmøːz] (früher selbstständige ›commune‹, heute Stadtteil von Liège/Luik/Lüttich).

Allerdings wird der Markenname nicht nur, wie oben angegeben, auf Französisch ausgesprochen, sondern auch häufig in niederländischsprachigen Kontexten – und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist Belgien ein dreisprachiges Land; das Bier wird auch in Flandern (und gewiss auch im deutschsprachigen Teil des Landes) getrunken. Zweitens ist Jupiler Hauptsponsor der Pro League, der höchsten Spielklasse im belgischen Fußball, und der Eerste Divisie, der zweithöchsten Klasse im niederländischen Fußball. Dabei unterscheidet sich die übliche Aussprache in Belgien und den Niederlanden: In Belgien, wo die französische Lautung vielen bekannt ist, hört man im Niederländischen meist [ˈʒypilɛːɾ] (wobei das Phonem, für das ich hier [ɾ] notiert habe, den jeweiligen regionalen Lautwert annimmt). Im Vergleich mit der französischen Aussprache rutscht also nur die Betonung an den Wortanfang. In den Niederlanden ist diese Aussprache selten zu hören. Zunächst wird dort das [ɛ] der letzten Silbe von praktisch allen Sprechern zum Schwa reduziert. Einige Niederländer sagen also so etwas wie [ˈʒypiləɹ] (wobei auch hier das Phonem, für das ich die westniederländische Realisierung [ɹ] eingesetzt habe, regionaler Variation unterliegt). Viele andere ersetzen jedoch zusätzlich das französisch anmutende [ʒ] der ersten Silbe durch [j], den Laut also, dem geschriebenes ›j‹ im Niederländischen wortinitial meist entspricht. Das ergibt als gängigste Aussprache des Markennamens in den Niederlanden [ˈjypiləɹ].

Cluster von Toponymsuffixen in Deutschland

Die Karte, die ich hier vorstelle, ist aus der Perspektive des Radfahrers gemacht. Wer in Deutschland und anderswo eine Fahrt über Land macht, dem fällt bald auf, dass sich in vielen Gebieten Orte häufen, deren Namen auf dieselben Suffixe enden: Eine kleine Tour um Mönchengladbach herum könnte zum Beispiel in Sasserath im Süden beginnen, über Güdderath nach Wickrath führen, weiter über Hilderath und Mennrath gen Norden Richtung Gerkerath gehen und am nördlichen Stadtrand in Bettrath enden. Wer will, kann noch einen Abstecher nach Beckrath und Herrath machen.

Von Rath nach Rath

Auf einer vergleichbaren Fahrt rund um Mainz wäre die Ausbeute an Orten auf ›-rath‹ hingegen exakt null. Stattdessen könnte die Runde von Gonsenheim aus über Essenheim, Ebersheim und Gau-Bischofsheim nach Bodenheim führen und von dort, zurück auf Mainzer Stadtgebiet, über Laubenheim und Hechtsheim nach Bretzenheim. Das Phänomen dürfte klar – und vielen schon mal aufgefallen – sein.

Über Toponomastik (Ortsnamenkunde) gibt es natürlich haufenweise wissenschaftliche Publikationen. Dieses hier ist keine davon. Rein zur Unterhaltung – und daher mit einem dem Freizeitcharakter dieses Blogs angemessenen Anspruch an Vollständigkeit usw. – habe ich versucht, 101 auffällige Suffixcluster in Deutschland zu kartografieren. Das Ergebnis erinnert an manche der Karten, die das ZEITmagazin seit einigen Jahren in der Rubrik Deutschlandkarte veröffentlicht. Vielleicht gibt es sogar schon eine Deutschlandkarte zu diesem Thema, aber wenn dem so ist, dann habe ich sie nicht gefunden.

Wie also ist diese Karte entstanden? Ich habe mir eine Liste von deutschen Ortsnamen (inklusive zugehöriger Postleitzahlen) gesucht und rückläufig sortiert. Damit ist es nicht schwierig, sich die häufigsten N-Gramme von hinten herauszufischen und einen Blick auf die regionale Verteilung zu werfen. Die allermeisten Suffixe von Interesse entpuppten sich als Tri- bis Pentagramme. Hätte ich mehr Zeit und bessere Programmierkenntnisse, hätte ich eine interaktive Karte erstellen können, die für jeden Postleitzahlenbereich die häufigsten Suffixe anzeigt (am besten noch inklusive Etymologie). Habe ich aber nicht. Stattdessen ist es eine simple eindimensionale Karte geworden, in der man einfach nur ein paar Ortsnamen sieht. Bei der Auswahl der Beispiele habe ich mich zum einen daran orientiert, wie viel Prozent der Vorkommen eines Suffixes in einen (oder mehrere aneinandergrenzende) Postleitzahlenbereich(e) fallen. Im Postleitzahlenbereich 55 finden sich zum Beispiel 17,5 % aller Orte, deren Namen auf ›-heim‹ enden – der höchste Wert aller PLZ-Bereiche. Zum anderen habe ich danach geschaut, wie viele der Ortsnamen in einem PLZ-Bereich das betreffende Suffix enthalten. Bei ›-heim‹ waren das 27,3 % aller Ortsnamen im Bereich 55. Die genauen Prozentzahlen sollte man aufgrund von kleineren Unsauberkeiten in den Daten, die ich auf die Schnelle nicht beseitigen konnte, nicht überinterpretieren. Wohl aber vermitteln sie einen im Großen und Ganzen akkuraten Eindruck von der Verteilung eines Toponymsuffixes. Den Ausschlag dafür, ob ein Name auf der Karte landete, gab – neben meiner Intuition als deutscher Muttersprachler (Wie lokaltypisch und interessant kommt mir das Suffix vor?) – in vielen Fällen die banale Frage, ob an der betreffenden Stelle noch Platz in der Grafik war.

Um die Suffixe auf der Karte nicht so nackt dastehen zu lassen, habe ich jeweils ›Deutsch-‹ davorgesetzt. Wenn ein Suffix irgendwo auf der Karte steht, dann bedeutet das, dass nach meinen Recherchen ungefähr an dieser Stelle eine Reihe von Orten mit demselben Suffix im Namen liegt. Es bedeutet nicht, dass es nirgendwo sonst ein auf diesem Suffix basierendes Cluster gibt (und schon gar nicht, dass es nicht andernorts vereinzelte Orte mit diesem Suffix gibt). Die Strichstärke der Buchstaben gibt an, wie häufig ein bestimmtes Cluster innerhalb der jeweiligen Region ist (und nicht allgemein deutschlandweit). Die ganz dünne Ultra Light (z. B. ›Deutschheide‹ in Mecklenburg-Vorpommern) steht für um die 10 Orte, die etwas kräftigere Semi Light für maximal 30 Orte (z. B. ›Deutschbeck‹ im nördlichen NRW; das ist die häufigste Kategorie), die Semi Bold für rund 30–60 Orte (z. B. ›Deutschwitz‹ in Sachsen). Für Suffixe mit 60–90 Vertretern habe ich die Extra Bold gewählt (z. B. ›Deutschingen‹ in Baden-Württemberg). Die häufigsten Suffixe sind aus dem Black-Schnitt gesetzt (z. B. ›Deutschleben‹ in Sachsen-Anhalt).

Eine evidente Schwäche der Karte ist, dass sie nur die Stärke und nicht die genaue Ausbreitung der Cluster angibt. Man kann davon ausgehen, dass ein Cluster von 60 Orten mehr Raum in Anspruch nimmt als eines von 10, aber auch bei gleicher Clusterstärke wird es Unterschiede in der Fläche geben. Ein weiterer Nachteil ist, dass disperse Cluster, die sich nicht auf zwei oder drei PLZ-Bereiche beschränken, hier nicht dargestellt werden können: Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass Ortsnamen auf ›-e‹ zu fast drei Vierteln in den PLZ-Bereichen 0, 1, 2, 3 und 4 (also ganz grob gesprochen: in der nördlichen Hälfte Deutschlands) liegen bzw. zu rund 55 % in den Bereichen 1, 2 und 3. Das ist ein kombinierter Effekt zahlreicher Suffixe, der sich in der gewählten Form nicht gut wiedergeben lässt – vielleicht etwas für ein nächstes Projekt. Wie immer dem sei, hier ist die Karte (Lizenz: CC BY-SA 3.0*):

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Verbvalenz in der Werbesprache

Es kommt selten vor, dass ich einen Werbeslogan originell oder gar witzig finde. Grund genug, zu notieren, wenn es doch mal vorkommt. Der Slogan, um den es geht, ist kein Markenslogan, sondern bewirbt die aktuelle Treuepunkte-Kampagne von Penny. Das Verfahren ist das Übliche: Wenn man bei Penny für mehr als fünf Euro einkauft, bekommt man – je nach Kaufbetrag – eine bestimmte Anzahl von Klebepunkten, die man in einem Heftchen sammeln und später für Kochgeschirr einlösen kann. Der Slogan dazu ist ›Punkten, sparen, garen.‹ Warum ist das witzig oder gar originell? Weil sich die beiden letzten Wörter reimen? Das ist nett, aber, wie ich glaube, nicht der Kern der Sache.

Die Wirkung, die dieser Slogan auf mich hat, sehe ich in der Valenz der Verben begründet. Valenz? Kurzer Blick in Bußmann: Venn-Diagramm, Variabilität, Valenzianisch – ah, da, Valenz. »Aus der Chemie entlehnter Begriff […], dessen Übertragung in die Sprachwissenschaft allgemein Tesnière [tɛˈnjɛːʁ; C. B.] zugeschrieben wird. […] V. ist die Eigenschaft eines Lexems […], seine syntaktischen Umgebungen vorzustrukturieren, indem es anderen Konstituenten im Satz Bedingungen bezüglich ihrer grammatischen Eigenschaften auferlegt.« Konkret gemeint ist damit, dass die Verwendung etwa eines Verbs erfordert, dass man es mit bestimmten anderen syntaktischen Elementen kombiniert. Das Verb ›wohnen‹ zum Beispiel ist zweiwertig: Es erfordert ein Subjekt und eine lokale (Wo?) oder modale (Wie?) Ergänzung. Einfach nur ›Sie wohnt‹ ist zu wenig, aber ›Sie wohnt hier‹ (Wo wohnt sie?) oder ›Sie wohnt zur Miete‹ (Wie wohnt sie?) ist in Ordnung. Auch Adjektive können eine bestimmte Valenz haben: ›behilflich‹ zum Beispiel verlangt eine Ergänzung im Dativ (jemandem behilflich sein); Substantive verlangen dagegen selten nicht weglassbare Ergänzungen. Aber was hat das mit dem Penny-Slogan zu tun?

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Same source, divergent developments

“Ach, Scheiße!” – that is what the cashier at the supermarket said to me today when he noticed that he had failed to scan one last item that I wanted to buy. It still lay on the conveyor belt while the receipt was being printed. What he said led me to think about the word ‘Scheiße’, one of the most common swearwords in German (and even popular in English song lyrics). Whenever you feel like shouting ‘Shit!’ in English, a speaker of German might chime in and shout ‘Scheiße!’. In the literal sense, ‘Schei­ße’ refers to faeces; it is used in that sense quite frequently. The noun and its corresponding verb, ‘schei­ßen’, are labelled as ‘coarse language’ in German dictionaries. ‘Scheiße(n)’ derives from the Proto-Indo-European root *skeh₂i-d- ‘cut, separate’, which is an extension of PIE *skeh₂i- ‘split, divide’. It is a cognate of English ‘(to) shit’. Cognates are words that, across or within languages, share the same etymology. In some cases, this is quite obvious: The German sentence ‘Das Gras ist grün’ only contains words with cognate equivalents in English that have retained a similar form and meaning, so English speakers won’t have a lot of trouble figuring out what the sentence means. Sometimes the connections are less evident: English ‘lock’ and German ‘Loch’ (meaning: ‘hole, opening’) seem to go back to the same Proto-Indo-European root, for instance. In any case, German ‘Scheiße’ and English ‘shit’ are clearly cognates and used similarly in present-day language. That’s the boring part.

The interesting part is what happened to this root and its derivations in the Dutch part of the West Germanic language area. The verb that corresponds to ‘scheißen’ and ‘to shit’ is ‘schijten’ /ˈsχɛɪ̯tən/. It has the same meaning as in the other two languages and can be used in the literal sense: ‘Zij heeft in haar broek gescheten’ (literally: ‘She has shit in her pants’, meaning: ‘She has shit her pants’). ‘Schijten’ is used much less widely than its German and English cognates. However, there are some fixed multi-word expressions in which it appears, such as ‘zeven kleuren (bagger) schijten’ (literally: ‘to shit seven colours [of mud]’, meaning: ‘to be[come] very frightened’). When words are mainly used in fixed expressions, this is an indication that they might have started to fall into obsolescence. The corresponding noun, ‘schijt’, is even one step further: Some hundreds of years ago, it still referred to faeces, or to liquid stool in particular, but the only meaning in contemporary language is ‘the state of having diarrhoea’. Unlike ‘Scheiße’ and ‘shit’, ‘schijt’ is not used as a swearword in Dutch. Rather, it is almost exclusively encountered in fixed expressions: figurative ones, such as ‘schijt hebben aan iets’ (literally: ‘to have shit on something’, meaning: ‘to not care about something’), and literal ones, such as ‘aan de schijt zijn’ (literally: ‘to be at the shit’, meaning: ‘to have diarrhoea’). What’s even more interesting: The most common Dutch word derived from the same source as ‘Scheiße’ and ‘shit’ is ‘scheet’ (which happens to be identical to the singular simple past form of ‘schijten’). But ‘scheet’ means—wait for it—‘fart’. So, the German and English words for solid excreta and the Dutch word for gaseous excreta are cognates.

What do you call faeces in colloquial Dutch? In fact, English and Dutch are to be greatly envied from a German perspective. A word from nursery language has spread to more general use in both languages, meaning that you can talk about shit without sounding vulgar or clinical. The words I am referring to are ‘poop’ and ‘poep’, the Dutch word being pronounced about the same as the English one. In English, ‘poop’ has a certain childish ring to it. Still, you can use it not only when talking to a toddler, but also in a newspaper headline. This is also the case with Dutch ‘poep’ (and the corresponding verb ‘poepen’), but it sounds even less childish than the English word. A Dutch newspaper recently ran an article that was titled ‘Omdat iedereen poept’ (‘Because everyone poops’). You’d be hard-pressed for a stylistically appropriate translation to German. Well, why don’t the Germans use the cognate equivalent of the Dutch and English words? Here’s the complication: There is an equivalent in German, namely ‘Pup(s)’, but it means—wait for it—‘fart’ (in a slightly childish, euphemistic register). All three words are onomatopoetic, that is, an attempt at a phonetic imitation of a real world sound. What is being imitated is, of course, the sound of flatulence. English ‘poop’ and Dutch ‘poep’ can refer to that as well, but the meaning ‘fart’ has all but died out in English. In Dutch, it is found in—you guessed it—fixed expressions, such as ‘iemand een poepje laten ruiken’ (literally: ‘to have someone smell a little fart’, meaning: ‘to put somebody in their place’). By contrast, the German word ‘Pup(s)’ means nothing but ‘fart’—just like ‘Furz’, the cognate of English ‘fart’, which is perceived to be somewhat more vulgar. So, the Dutch and English words for solid excreta and the German word for gaseous excreta are also cognates.

In consequence, this means that speakers of English and German with no knowledge of Dutch are likely to be led up the garden path when encountering ‘scheet’, just the way English and Dutch speakers with no knowledge of German might be confused by ‘Pups’. Was für eine Scheiße!

Op stee. Drentse en Groninger plaatsnamen verzameld ★★★✩✩

n Kollegoa van mie is geboren en opgruid in Börk in Drìnt. Hai het ais n moal zegd dat t n dörp is dat allènt mor om twij reden op de landelke media komt: oorlog en file. In t Nederlands wordt Börk nait ‘Börk’ nuimd, mor ‘Westerbork’ – of, deur wèl der nait opgruid is, ‘Wésterbork’. Mien kollegoa is wis en zeker nait d’ainege dij dat nait geern heurt. In t dörp zulf zeggen ze, as ze Nederlands proaten, noamelk ‘Westerbórk’ – mit de klemtoon op de leste lettergreep. Dat is nog nait tot Hilversum deurdrongen (en meschains nog ìns nait tot elkenain in Azzen). Over dat onderwaarp – noamen van ploatsen in Grunnen en Drìnt – gaait ‘Op stee’, n boukje dat kört leden oetbrocht is deur t Bureau Groninger Taal en Cultuur en t Huus van de Taol. t Is n keerbouk mit twij veurkanten: aan d’aine kaande t Drìntse dail, aan d’aandere t Grunneger dail. Op dij menaaier staait gain van de streektoalen achter in t bouk – n leuk trucje.

In t centrum van baaide dailen staait n lieste van ploatsnoamen zo as dij in t dialect broekt worden. In t Grunneger dail van t bouk nemt dij lieste sikkom vatteg bladzieden in beslag. In t Drìntse dail binnen t mor tien. De reden doarveur ligt in t vleden. De gegevens over hou dij ploatsen tegenwoordeg nuimd worden, kommen oet de Vroag/Vraog & Antwoord-enquêtes. In Grunnen is dat n vervolg op n enquête oet de joaren 80; in Drìnt is ter gain veurganger. Over de verglieken van de nije en de olle Grunneger gegevens vaalt vanzulf meer te vertellen. De Drìntse lieste is dus sowieso wat moagerder, mor hai vaalt mie dubbel òf. Twijmoal wordt ter in t Drìntse dail van t boukje op wezen dat de klemtoon van ploatsnoamen (zowel in t dialect as in de standaardtoal) nait te veurspellen is. Dou k de lieste opsluig om ais op te zuiken hou of je ‘Lukkenwol’ goud oetspreken, mos k laggen. De klemtoon is gewoon nait aangeven! k Neem nait aan dat ze t vergeten binnen, dus t zel wel mit n gebrek aan gegevens te moaken hebben. t Is hou din ook n minpunt. Ook veur de rest het t Drìntse dail veul minder om hakken. t Was schienboarliek de bedoulen dat elk van de twij dailen 63 bladzieden vult. In t Drìntse dail mozzen doarveur tal van waaineg relevante zinnen oet woordenbouken citeerd worden en hoast net zo veul gedichten doar bie touval ain of twij ploatsnoamen in veurkommen. Wat mie betreft, haar haalfschaid van dij zinnen en gedichten makkelk achterwege blieven kind.

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Leren pinnen*

Vor einer Woche bin ich von den Niederlanden zurück nach Deutschland gezogen. Ein im Alltag spürbarer Unterschied zwischen den Ländern ist, dass Kartenzahlung in den Niederlanden wesentlich gängiger ist. Im Jahr 2013 fanden in Deutschland rund 2,5 Milliarden Zahlungen mit Bankkarte statt (sagt Die Deutsche Kreditwirtschaft); in den Niederlanden waren es im selben Zeitraum 2,66 Milliarden (sagt die Betaalvereniging Nederland). Umgerechnet auf die Einwohnerzahlen bedeutet das, dass statistisch gesehen jeder Deutsche etwa 30 Mal in diesem Jahr mit Karte bezahlt hat und jeder Niederländer knapp 160 Mal ›gepind‹ hat. Dieser Unterschied schlägt sich in zwei Punkten nieder: erstens in der Zahl der Verkaufsstellen, die überhaupt Kartenzahlung akzeptieren, zweitens in der Bequemlichkeit, mit der die Zahlungen ablaufen. Bis 2010, als ich aus Deutschland wegging, hatte Kartenzahlung für mich praktisch keine Rolle gespielt. Ich werde irgendwann mal was mit Karte bezahlt haben, aber erinnere mich, ehrlich gesagt, nicht mehr dran. In den Niederlanden habe ich zuletzt beinahe alles mit Karte bezahlt – eine Gewohnheit, die ich in Deutschland fortzusetzen versuchen wollte. Ich wusste ja, wie es geht.

Dachte ich. Es gibt vier Arten und Weisen, eine Bankkarte in so ein Lesegerät zu schieben. In den Niederlanden bin ich praktisch nur der Art und Weise begegnet, bei der der Magnetstreifen auf der Karte vom Betrachter wegzeigt (also nach unten oder hinten, je nach Positionierung des Kartenschlitzes) und der Chip in der Karte im Lesegerät verschwindet. Bei meiner ersten Kartenzahlung in Deutschland – im Tedox-Baumarkt – habe ich es daher so versucht: »Andersrum«, sagte die Kassiererin. Ich drehte die Karte so, dass der Chip sich nun nicht mehr im Gerät befand, aber der Magnetstreifen weiterhin von mir wegzeigte. »Nee, noch anders.« Jetzt zeigte der Magnetstreifen zu mir. Immer noch falsch. Schön, dass niemand hinter mir in der Kassenschlange war, während ich – Kartenzahlungsexperte (NL) – alle vier Arten, eine Karte in ein Lesegerät einzuführen, ausprobierte. Ich lernte: Chip im Gerät (macht Sinn), Magnetstreifen nach oben. Nach Eingeben meiner PIN war der metallene Papierkorb bezahlt. Aufgrund von Vorkommnissen wie diesem, so lernte ich später, ist der Kartenleser in einigen Geschäften zum Kassenpersonal, nicht zum Kunden gerichtet. Man übergibt dem Mitarbeiter seine Karte, der sie korrekt ins Gerät schiebt und anschließend dem Kunden das Gerät zudreht – ein archaisch anmutendes Verfahren.

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The most frequent ablaut patterns in Dutch strong verbs

If you ever wondered how to inflect non-existing Dutch verbs, you should have a look at a recent article by Remco Knooihuizen and Oscar Strik (Rijksuniversiteit Groningen). If you ever wondered how to inflect irregular Dutch verbs that do exist, the overview below might help you. I compiled it a couple of years ago—based on various sources including the Algemene Nederlandse Spraakkunst, a Dutch grammar, and the Dikke Van Dale, a Dutch dictionary—when I started learning Dutch. Like everything in the world, it is probably not fully accurate and complete, but I found it handy back then to have the most important irregular inflection patterns on a single sheet. If you know all these by heart, you will be able to correctly inflect more than 80% of the Dutch strong verbs (although the percentage would probably be a bit lower when we take frequency of occurrence into account).

The table gives the vowel of the infinitive, of the singular past tense and of the past participle. It has to be noted that consonant changes, which occur in a minority of strong verbs, are not included in this overview: slaan, for instance, is not slaan – *sloe – *geslaen, but slaan – sloeg – geslagen (if you want to learn a language that is more regular in this respect, try German, which has introduced the ‘g’ from the past participle in the infinitive as well). Also, the ‘-en’ suffix that is used in the past participle of all verbs in the categories 1–14 does not necessarily occur in all verbs with other inflection patterns: denken, for example, has [ɑ] in both the past tense and the past participle, and the [ŋk] has to be replaced by a uvular fricative. It is, however, not inflected denken – dacht – *gedach(t)en, but denken – dacht – gedacht. You’ll have to look up the specificities of these rare inflection patterns for yourself. You should also know that a number of verbs have more than one inflection pattern: The strong form can be archaic (wassen – wies instead of wassen – waste), regional (breien – bree is only used in Belgium instead of breien – breide), linked to a specific meaning (prijzen – prees – geprezen is used when the word means ‘to praise’, whereas prijzen – prijsde – geprijsd is used for ‘to price’) or linked to a specific morphological form (schrikken – schrok – geschrokken is strong, whereas some prefixed forms are not, for instance afschrikken – schrikte af – afgeschrikt). All these details are not in my overview, but my guess would be that you won’t need the overview any more when you get everything right except for these details.

Click the image to download the overview as a PDF (which is licenced under CC BY-NC-SA). Comments are obviously welcome if you spot any errors or omissions.

Agnomina Rheydts

Wenn von der ›Stadt der Lagunen‹ die Rede ist, weiß jeder, dass es um Venedig geht. Haßloch gilt als das ›größte Dorf Deutschlands‹ (auch wenn’s nicht stimmt). Hinter der ›Stadt der Mangobäume‹ verbirgt sich Belém in Brasilien (auch wenn’s kaum einer weiß). Und Finnland will das ›Land der tausend Seen‹ sein (Mecklenburg aber auch). Orte und Regionen haben aus verschiedenen Gründen Beinamen: Mal sind die Namen historisch gewachsen (Venedig wurde bereits im 19. Jahrhundert ›Stadt der Lagunen‹ genannt), mal dienen sie der praktischen Unterscheidung (Neustadt an der Weinstraße – weil es im deutschsprachigen Raum zahlreiche Neustädte gibt), mal haben sie einen werblichen Hintergrund (mindestens zwei Städte, Rüthen und Waiblingen, führen den Slogan ›Junge Stadt in alten Mauern‹).

Derartige Beinamen tauchen in der Presse regelmäßig auf: Wenn man einen Artikel über Pariser Taschendiebe mit ›Stadt der Diebe‹ überschreibt (und die Anspielung für alle, die sie nicht begriffen haben, im Vorspann noch mal erklärt), schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der Ton für den Artikel ist gesetzt. Man muss nicht mehrmals ›Paris‹ schreiben. Und man sagt mit dem Beinamen mehr aus als mit dem Städtenamen an sich. Aber was macht man bei Städten, die keinen Beinamen haben? Bei Städten, die keine Sau kennt? Man denkt sich halt selbst was aus, um den Ort zu beschreiben: Nürnberg ist die »fränkische Metropole« (Frankfurter Neue Presse); Blankenhain im Weimarer Land ist ein »abgelegenes Kleinstädtchen« (Thüringer Allgemeine); Haan in Nordrhein-Westfalen wird zu »einer Schlafstadt zwischen Wuppertal, Solingen und Düsseldorf« (taz); Schwabing galt im 19. Jahrhundert noch als »unbedeutendes, verschlafenes Dorf im Norden der Residenzstadt« (Süddeutsche).

Vielleicht lohnt es sich, und sei’s nur zur Unterhaltung, die Beinamen – Agnomina – eines Ortes einmal näher zu betrachten. Mein Fallbeispiel ist nicht Venedig oder Paris, sondern Rheydt. Warum Rheydt?

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