Archiv für den Monat: November 2014

Agnomina Rheydts

Wenn von der ›Stadt der Lagunen‹ die Rede ist, weiß jeder, dass es um Venedig geht. Haßloch gilt als das ›größte Dorf Deutschlands‹ (auch wenn’s nicht stimmt). Hinter der ›Stadt der Mangobäume‹ verbirgt sich Belém in Brasilien (auch wenn’s kaum einer weiß). Und Finnland will das ›Land der tausend Seen‹ sein (Mecklenburg aber auch). Orte und Regionen haben aus verschiedenen Gründen Beinamen: Mal sind die Namen historisch gewachsen (Venedig wurde bereits im 19. Jahrhundert ›Stadt der Lagunen‹ genannt), mal dienen sie der praktischen Unterscheidung (Neustadt an der Weinstraße – weil es im deutschsprachigen Raum zahlreiche Neustädte gibt), mal haben sie einen werblichen Hintergrund (mindestens zwei Städte, Rüthen und Waiblingen, führen den Slogan ›Junge Stadt in alten Mauern‹).

Derartige Beinamen tauchen in der Presse regelmäßig auf: Wenn man einen Artikel über Pariser Taschendiebe mit ›Stadt der Diebe‹ überschreibt (und die Anspielung für alle, die sie nicht begriffen haben, im Vorspann noch mal erklärt), schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der Ton für den Artikel ist gesetzt. Man muss nicht mehrmals ›Paris‹ schreiben. Und man sagt mit dem Beinamen mehr aus als mit dem Städtenamen an sich. Aber was macht man bei Städten, die keinen Beinamen haben? Bei Städten, die keine Sau kennt? Man denkt sich halt selbst was aus, um den Ort zu beschreiben: Nürnberg ist die »fränkische Metropole« (Frankfurter Neue Presse); Blankenhain im Weimarer Land ist ein »abgelegenes Kleinstädtchen« (Thüringer Allgemeine); Haan in Nordrhein-Westfalen wird zu »einer Schlafstadt zwischen Wuppertal, Solingen und Düsseldorf« (taz); Schwabing galt im 19. Jahrhundert noch als »unbedeutendes, verschlafenes Dorf im Norden der Residenzstadt« (Süddeutsche).

Vielleicht lohnt es sich, und sei’s nur zur Unterhaltung, die Beinamen – Agnomina – eines Ortes einmal näher zu betrachten. Mein Fallbeispiel ist nicht Venedig oder Paris, sondern Rheydt. Warum Rheydt?

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Vierte Generation

Im Juli 2013 hatte ich hier drei verschiedene Verpackungen gezeigt, in denen ein bestimmter Kräuteraufguss von Pickwick in niederländischen Supermarktregalen stand. Dabei hatte ich meine Verwunderung darüber geäußert, dass das Verpackungsdesign innerhalb von rund anderthalb Jahren zweimal ausgetauscht wurde. D.E Master Blenders 1753 – das Unternehmen, zu dem die Marke Pickwick gehört – scheint es für nötig zu halten, die Gestaltung kompletter Produktlinien alle paar Monate überarbeiten zu lassen. Es wurde schließlich jeweils nicht nur die eine Verpackung angepasst, die ich hier exemplarisch zeige, sondern, denselben Gestaltungsprinzipien folgend, auch die von sieben oder acht weiteren Kräutertees (aus der ›Herbal Goodness‹-Reihe, zuvor ›Herbal Garden‹).

Vor einigen Wochen – Mitte September ungefähr – habe ich mich wieder gewundert. Die Verpackung des Tees (und, wie gesagt, aller anderen Herbal-Goodness-Tees) hat nämlich zum vierten Mal in höchstens drei Jahren eine neue Gestaltung bekommen. Die sieht so aus:

Die Bezeichnung der Produktlinie ist, gegenüber der vorherigen Gestaltung, sehr in den Hintergrund getreten. Dafür ist das Kräutermotiv, erstmals seit 2011, flächig über die ganze Frontseite der Verpackung gezogen – was ich optisch nicht reizlos finde. Von der Minze, die auch drin sein soll, sieht man zwar nicht mehr viel, aber dafür kommen eine Menge Anisblüten ins Bild. Die Information, dass der Tee – wer hätte es gedacht? – ›100% natuurlijk‹ ist, kam neu hinzu. Dafür musste die Beschreibung der enthaltenen Kräuter an dieser Stelle etwas knapper gefasst werden, auch um Platz für ein Piktogramm zu machen, das die Zahl der enthaltenen Beutel angibt (die vorher auf der Seite der Packung genannt war). Vom kräftigen Blau, das der vorherigen Gestaltung – zusammen mit der Museo als Schriftart – einen eher kühlen Charme gab, ist nur ein blasser Hintergrund geblieben. Die in grün und schwarz gesetzten Schriftarten sind die Gotham (Tobias Frere-Jones, 2000) und die Berlin Sans (David Berlow und Matthew Butterick, 1994; basierend auf der Negro von Lucian Bernhard). Letztere ist, vor allem auf anderen Packungen aus derselben Reihe, erheblich in der Breite gestaucht; nur so, scheint’s, konnte man lange Produktnamen wie ›Spijsvertering‹ (Verdauung) unterbringen, ohne die Versalhöhe reduzieren zu müssen. Außerdem wurden einige Buchstaben, im vorliegenden Fall das ›S‹, im Interesse einer besseren Lesbarkeit modifiziert. Insgesamt wirkt die neue Gestaltung ansprechend auf mich und zweifelsohne frischer als die allererste, die 2011 noch verwendet wurde – aber so richtig überzeugt, dass Kräutertee jährlich ein neues Verpackungsdesign braucht, bin ich immer noch nicht.