Archiv für den Monat: Juli 2013

Koude Gat


Blick nach Osten. Den Straßennamen könnte man synchronisch als ›das kalte Loch‹ (miss)verstehen; diachronisch hat er eine andere Bedeutung: ›Gat‹ ist verwandt mit dem deutschen ›Gasse‹ und dem norwegischen bzw. schwedischen ›gate‹ und ›gata‹ für ›Straße‹. Eine Formvariante ist ›jat‹ – zu finden etwa in der Oude Kijk in ’t Jatstraat, ein paar Straßen weiter.

Skizze zur Phonetik und Phonologie des Mainzer Dialekts

Unten stehende Angaben basieren ausschließlich auf meiner eigenen unzureichenden Intuition als nicht mal waschechter Muttersprachler des ›Meenzerischen‹ und bedürften näherer, gründlicherer Untersuchung. Ich schreibe dies nur auf, da ich auf Seiten wie dem Wikipedia-Artikel zum Rheinhessischen Dialekt keinerlei Informationen phonologischer oder phonetischer Art gefunden habe. Der Mainzer Dialekt zählt zum südhessischen Zweig der westmitteldeutschen Mundarten. Was hier beschrieben wird, gilt – mit einigen Abstrichen – für das gesamte nördliche Rheinhessen.

Das Konsonantensystem der Mainzer Mundart ähnelt dem des Standarddeutschen weitgehend: Alle Plosive – /p, b, t, d, k, g, ʔ/ – sind vorhanden, wenn auch nicht in derselben Distribution wie in der Hochsprache. Stimmlose Plosive, übrigens auch im Dialekt aspiriert gesprochen, kommen intervokalisch nicht vor. Alle drei Nasale des Deutschen – /m, n, ŋ/ – erscheinen auch im Mainzer Dialekt in vergleichbaren Kontexten und haben die aus dem Standard bekannten Realisierungen, wie etwa das Allophon [ɱ] für /m/ vor anderen Labiodentalen. Das Frikativinventar ist gegenüber dem Deutschen um ein Phonem ärmer: /ʃ/ steht, wo die Hochsprache /ç/ hat. Ferner vorhanden sind /f, v, s, z, ʒ, x, ʁ, h/, wobei /v/ – wie auch im Hochdeutschen – als Approximant [ʋ] realisiert wird. Die anderen Realisierungen entsprechen auch der Standardsprache. Anders als in der Standardvarietät hat /ʒ/ allerdings eine nicht bloß marginale, auf Fremdwörter beschränkte Rolle – dies wiederum bedingt durch den Fakt, dass auch bei den Frikativen keine stimmlosen Laute zwischen Vokalen stehen können. Im Anlaut kontrastieren stimmhafte und stimmlose Laute grundsätzlich, obwohl auch hier die stimmhaften Laute vielfach die Rolle übernehmen, die die stimmlosen in der Standardsprache haben: So kommt /t/ praktisch nur in (lautlich sonst gut integrierten) Fremdwörtern vor und auch /s/, ist, wie im Standarddeutschen, allenfalls auf Fremdwörter beschränkt. Oder fehlt es ganz? Dann wäre es sogar möglich, mit einem /s/-Phonem auszukommen, da die Realisierung als [s] bzw. [z] durch die Position bestimmt werden könnte: [z] im Anlaut und intervokalisch, [s] im Auslaut. Der Approximant /j/ und der Lateral /l/ stimmen in Dialekt und Hochsprache überein, was Verteilung und Realisierung angeht.

Das Vokalsystem des Standarddeutschen ist mit 14 bzw. 15 qualitativ distinkten Monophthongen laut World Atlas of Language Structures eines der reichsten der Welt. Im Mainzer Dialekt bleiben davon 11 übrig, wobei zwei der Phoneme eine Längendifferenzierung kennen: /iː, ɪ, eː, ɛ, ɛː, æ, ə, u, ʊ, oː, ɔ, ɑ, ɑː/. In der Mundart kommen die gerundeten Vordervokale /yː, ʏ, øː, œ/ nicht vor; wo diese im Hochdeutschen erscheinen, stehen in der Mundart vielfach die ungerundeten Gegenstücke /iː, ɪ, eː, ɛ/. /æ/ entspricht dem standarddeutschen /ɐ/ als Realisierung von <-er>. Von den drei Diphthongen der Hochsprache sind zwei im Dialekt zu finden, nämlich /ɑɪ, ɑʊ/. Ersteres steht häufig in Wörtern, in denen der Standard /ɔɪ/ vorsieht. Allerdings darf weder bei den Konsonanten noch bei den Vokalen von einer 1:1-Zuordnung von Phonemen des Dialekts zu denen der Standardsprache ausgegangen werden.

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Doctor C. Hofstede de Grootkade


Will man den längsten Straßennamen einer Stadt ermitteln, stellt sich auch die Frage: Was zählt – der offizielle Straßenname oder der Name, der auf den Straßenschildern steht? Die fünf längsten Straßennamen Groningens stehen nämlich nicht vollständig auf den Schildern. Im Fall der Eerste und Tweede Drift Gedempte Zuiderdiep ist das, wie bereits geschrieben, naheliegend. Im obigen Fall ging es wohl vor allem darum, Platz zu sparen – wie auch bei der Burge­meester G. van Barne­veld­straat und Professor Enno Dirk Wiersma­straat. Die Berufe der beiden Herren wurden auf den Schildern zu ›Burg.‹ und ›Prof.‹ gekürzt. Lässt man die Leerzeichen beiseite und zählt nur tatsächliche Buchstaben oder Satzzeichen, ist auf einmal doch wieder das gestern gezeigte Schild ganz vorne: Voor ’t Voormalig Klein Poortje – mehr als 27 Zeichen (26 Buchstaben + 1 Satzzeichen) stehen meines Wissens auf keinem anderen Straßenschild in der Stadt Groningen. Platz 2 teilen sich bei dieser Zählung drei Straßen mit je 26 Zeichen: die Wiersmastraat, die D. H. A. C. Hammar­skjöld­straat (Corpus den Hoorn-Zuid) und die Henriette Roland Holststraat (De Wijert-Noord). Straßenschilder, auf denen 25 Zeichen stehen, gibt es mindestens vier: neben dem der van Barneveldstraat auch die der E. Thomassen à Thuessinklaan (Gorechtbuurt), der Hendrik Johan Melgersstraat (Hoogkerk-Zuid) und der Kleine Brandenburgerstraat (Oosterpoortbuurt). Zum längsten an einem Stück geschriebenen Straßennamen komme ich demnächst.

Voor ’t Voormalig Klein Poortje


Blick nach Westen auf einen der längsten Straßennamen von Groningen (31 Zeichen mit Leerzeichen). Auf Platz 1 ist die Burgemeester G. van Barneveldstraat (35 Zeichen; Hoogkerk-Zuid), gefolgt von der Professor Enno Dirk Wiersmastraat (33 Zeichen; Bloemenbuurt) und, gleichauf mit dem hier gezeigten Namen, der Doctor C. Hofstede de Grootkade (Schildersbuurt). Auch lang sind die Eerste bzw. Tweede Drift Gedempte Zuiderdiep, aber auf den Straßenschildern steht nur ›Eerste/Tweede Drift‹ (weil derjenige, der davorsteht, wahrscheinlich bereits mitbekommen hat, dass er sich nicht an den Spilsluizen befindet, wo es noch eine Eerste und Tweede Drift gibt). Um den längsten Straßennamen in Groningen, der in einem Wort ohne Leerzeichen geschrieben hat, soll es demnächst gehen.

Santiago de Compostela

Bei der phonetischen Eindeutschung des Namens dieser Stadt in Spanien (Galicien, um genau zu sein) gibt es mindestens zwei Möglichkeiten. Die meisten Nachrichten, die ich heute gehört habe, entschieden sich für eine Variante, die ich nicht präferiert hätte – aber der Reihe nach. Auf Spanisch lautet der Name [sanˈtjaɰo ðe komposˈtela]. Die ersten beiden Teile sollen uns nicht weiter interessieren; deren Eindeutschung ist mit [zanˈti̯aːɡo de] unkompliziert. Aber was passiert mit dem vorletzten Vokal des letzten Wortes, dem [e]? Im Deutschen kann entweder die Quantität (also kurz) oder die Qualität (also halbgeschlossen) bewahrt werden. Ein kurzes [e] hat das Deutsche in betonter Position nicht. Ich hätte mich für die Qualität entschieden und [kɔmpɔsˈteːla] gesagt. Das Deutsche Aussprachewörterbuch (Krech et al.) stimmt mir zu, anders als die Sprecher und Moderatoren von tagesschau, heute und weiteren Nachrichtensendungen. Dort hieß es nämlich [kɔmpɔsˈtɛla]. Warum? Abgesehen von persönlicher Vorliebe (oder Ahnungslosigkeit) böte noch das Galicische eine Erklärung. Anders als im Spanischen lautet der letzte Teil des Namens dort nämlich [komposˈtɛla], dessen letzte zwei Silben sich mit weniger Verlust ins Deutsche übertragen lassen. Es kommen also zwei native Formen des Namens zusammen, von denen man eine als [-tɛla] eindeutschen kann und eine so eindeutschen sollte. Das sind genug Gründe für diese Lautung, aber ich muss zugeben, dass mir [-teːla] nach wie vor sympathischer ist.