Archiv für den Monat: Februar 2014

Kleine Rätsel

Ich fragte mich schon seit einer Weile, welche Schriftart das niederländische Verteidigungsministerium für seine Rekrutierungskampagne ›Werken bij Defensie – Je moet het maar kunnen‹ verwendet. Nach kurzen Recherchen habe ich die Schriftart heute identifiziert. Es ist die Capricorn von Jens Gehlhaar, um 1994 entworfen und 2007 veröffentlicht bei Die Gestalten.


Außer der Capricorn sind vom selben Designer nur ein paar angegrungte, heute eher uninteressante Fonts aus den 90ern kommerziell verfügbar (Übersicht bei Identifont). Gehlhaar hat Deutschland in Richtung Kalifornien verlassen – “At the college in Germany, I felt intellectually under-challenged […], I also felt that German design […] lagged behind Dutch, British and American design” (Quelle) – und gestaltet seitdem vor allem exklusive Schriftarten für Unternehmen.

Geboren wurde Gehlhaar am 31. Dezember 1965 in Peine, Niedersachsen (studiert hat er übrigens an der FH Niederrhein). Wirft man einen Blick auf die geografische Verteilung* seines Nachnamens, zeigt sich, dass die Stadt Peine (unten hervorgehoben) tatsächlich eines von mehreren Gebieten in Deutschland ist, in denen ›Gehlhaar‹ überdurchschnittlich häufig auftritt. Weitere Gehlhaar-Zentren sind die Stadt Erfurt, die Stadt Wilhelmshaven und das Umland von Leipzig.


Etymologisch handelt es sich bei ›Gehlhaar‹ um einen Übernamen, also einen beschreibenden Namen, der sich auf einen Ahn mit wohl blonden Haaren bezog. Die mittelhochdeutsche Form ›gël‹ für ›gelb‹, heute meist ›gehl‹ geschrieben, findet sich in der Hochsprache kaum noch; die meisten dürften die Form allenfalls aus dem Lied Backe, backe Kuchen (»Safran macht den Kuchen gehl!«) kennen. In vielen nord- wie süddeutschen Dialekten sowie im Niederländischen (dort ›geel‹ geschrieben und [χeɪ̯l] bzw. [ɣeːl] gesprochen) ist die Form allerdings noch gängig.

*  Die Karte wurde mit Geogen erstellt und steht unter der Lizenz CC BY-NC-SA 2.0.

Alle Optionen (2)

Mein Beitrag von vor einem guten Monat über die Petala mit ihren zahlreichen Alternativglyphen kam mir wieder in den Sinn, als ich mir die neueste Veröffentlichung von Gerard Unger (via Typekit) näher ansah. Alverata heißt sie. Die Herleitung und Entwicklung der lateinischen Formen erfolgte im Rahmen von Gerard Ungers Promotion an der Universität Leiden. Zusätzlich unterstützt die Schrift polytonisches Griechisch, das in Zusammenarbeit mit Gerry Leonidas (Γεράσιμος Λεωνίδας; University of Reading) and Irene Vlachou (Ειρήνη Βλάχου; Athen) entstand, sowie Kyrillisch, zu dessen Gestaltung Tom Grace einen Beitrag leistete. Hier ein kleiner Eindruck:

Oben gezeigt ist die ›normale‹ Alverata – übrigens gleich auf den ersten Blick als typisch unauffälliger, vermutlich angenehm zu lesender Unger-Entwurf erkennbar. Diese Version der Alverata kommt allerdings nicht allein. Es gibt zwei weitere: ›Informal‹ und ›Irregular‹. Letztere ist am deutlichsten von romanischen Inschriften aus dem 11. und 12. Jahrhundert inspiriert, mit denen sich Unger für seine Dissertation beschäftigt hat. Die Irregular enthält, wie diese Inschriften, Formen in der Tradition der römischen Capitalis quadrata sowie afrikanischer und insularer Unzialschrift. Daher weichen zum einen einzelne Buchstaben von der Normalversion der Schrift ab. Zum anderen wurden zu einigen Buchstaben zusätzlich Alternativglyphen gezeichnet, die einander – dank OpenType – beim Tippen automatisch abwechseln. Wörter mit zwei- oder dreimal demselben Buchstaben hintereinander können so von ein wenig romanischer varietas profitieren. Das sieht wie folgt aus:

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Endemische Nachnamen (2)

Der Rücktritt des CDU-Schatzmeisters Helmut Linssen hat meine Aufmerksamkeit einmal mehr auf das Phänomen der endemischen Nachnamen gelenkt. Linssen, geboren in Krefeld und aufgewachsen in Geldern im Kreis Kleve am Niederrhein, trägt einen solchen Namen, wie die Karte* zeigt (auch wenn ein paar Ausgewanderte bis ins Allgäu vorgedrungen sind):

Ländliche Regionen sind an solchen Nachnamen oft reicher als Großstädte. Und selbst unauffällig klingende Nachnamen können eine geografisch eng umgrenzte Verteilung aufweisen, wie das Beispiel von ›Rennes‹ zeigt, das außerhalb des Kreises Viersen praktisch nicht vorkommt:

Weniger überraschend ist eine derartige Verteilung bei Namen, denen man ihre Herkunft schon anhört – etwa Bovender/Boves, Bröckskes/Bröxkes, Genneper, Geuchen, Heisters, Kuylkens, Luyten, Optenplatz, Remmertz, Schmedders/Schmetten, Schongen, Smeets, Siemes/Ziemes (alle am häufigsten im Kreis Viersen), Aengenendt, Dellmans, Geerkens, Heykamps, Olislagers, Ripkens, Soesters, Stiphout, Straeten, Teneyken, Treeck, Tönnißen, Trienekens (alle am häufigsten im Kreis Kleve) oder Joerißen (Kreis Heinsberg). Für letzteren Namen zeige ich noch mal eine Karte, weil’s so schön ist:

*  Alle Karten wurden mit Geogen erstellt und stehen unter der Lizenz CC BY-NC-SA 2.0.