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Bárðarbunga – wie eindeutschen?

Eyjafjallajökull – das war, vor gut vier Jahren, die phonetische Herausforderung, der keine aktuelle Sendung entgehen konnte. Und als gerade auch die letzten raushatten, dass ›ll‹ im Isländischen für [tl̥] steht, war’s schon wieder vorbei. Bis vor zwei Wochen. Statt des Eyjafjallajökull-Vulkans ist es nun der Bárðarbunga, der durch seinen Ausbruch den internationalen Flugverkehr stören könnte. Und wieder ist der Name einer, den Deutsche ohne besonderes Interesse für nordgermanische Sprachen spontan nicht aussprechen können, zumindest nicht richtig. Aber was wäre richtig? Die isländische Aussprache des Namens ist [ˈb̥au̯ɾð̺aɾˌb̥uŋɡ̊a]. Das kann man keinem Nachrichtensprecher abverlangen. Zur Entscheidung über eine sinnvolle Eindeutschung müssen wir uns jedes Segment einzeln bzw. manche Segmente in Abhängigkeit von ihrer Position anschauen.

  • [] – die zwei silbeninitialen Laute, die dem geschriebenen ›b‹ entsprechen, können wir auf dieselbe Weise behandeln. Schließlich stehen sie in derselben, silbeninitialen Position und gehen beide einem Vokal voran. Die Laute könnte man ebenso gut [p] transkribieren, wobei im Isländischen ein – anders als im Deutschen am Wortanfang üblich – unaspiriertes [p] gesprochen wird. Es trifft sich gut, dass das deutsche /b/ vielfach deutlich weniger stimmhaft ist, als man vermuten könnte. Der Laut sollte daher im Deutschen mit /b/ – das heißt in der Praxis: [] – wiedergegeben werden. Mit [p], das der typische Sprecher aspiriert realisieren würde, entstünde bloß der falsche Eindruck, das Wort werde mit ›p‹ geschrieben.
  • [au̯] – kein Problem, das deutsche [aʊ̯] ähnelt dem isländischen Diphthong weitgehend.
  • [ɾ] – dieser Laut verlangt die schwierigste Entscheidung bei der Eindeutschung des Wortes. Ich würde ihn nämlich, um das Ergebnis meiner Überlegungen vorwegzunehmen, einfach weglassen. Warum? Ein [r] – sei’s als Vibrant oder als Tap – ist für deutsche Zungen an sich schon eine schwierige Aufgabe; meist wird ein [ʁ], also ein Frikativ, daraus. In der Silbenkoda ist die Sache sogar noch schwieriger: ›r‹ in dieser Position wird im Deutschen nahezu ausnahmslos zu [ɐ] vokalisiert. Für die Aussprache eines vokalisierten ›r‹ nach einem Diphthong gibt es theoretisch zwei Varianten: die Bildung eines Triphthongs, was in dieser Form im Deutschen jedoch nicht möglich ist, oder die Aufspaltung in zwei Silben – wie im Wort ›Bauer‹, das ›Bau-er‹ gesprochen wird. Die Aussprache des deutschen ›Bauer‹ ähnelt dem phonetischen Eindruck der isländischen Silbe ›Bár‹ allerdings nur von Ferne. Mangels besserer Optionen im Rahmen der deutschen Phonologie erscheint mir das Weglassen des Lauts daher am erträglichsten.
  • [ð̺] – der Laut, den die meisten Deutschen aus englischen Wörtern wie ›this‹ kennen, bietet zwei Möglichkeiten: Erfahrene Sprecher, die des Englischen mächtig sind, könnten tatsächlich [ð] sprechen, zumal man diesen Laut aufgrund von Lehnwörtern aus dem Englischen zum erweiterten Phoneminventar des Deutschen zählen könnte. Wer seine Drinks eher ›on se rocks‹ bestellt, ersetzt den Frikativ im Fall des Vulkans besser durch [d].
  • [a] – kein Problem, das deutsche kurze [a] ist dem isländischen Laut denkbar ähnlich, sowohl in dieser Position als auch am absoluten Wortende.
  • [ɾ] – echt isländisch wird es nicht klingen, wenn das ›r‹, wie oben beschrieben, vokalisiert wird. Nach einem Monophthong ist dies jedoch zumindest im Einklang mit den phonotaktischen Regeln des Deutschen unfallfrei möglich. Das vorangehende [a] und das vokalisierte ›r‹ fügen sich demnach zum zentrierenden Diphthong [aɐ̯] zusammen. Wer will, kann versuchen, das ›r‹ so konsonantisch wie möglich auszusprechen.
  • [u] – auch kein Problem. Ein kurzes, gespanntes [u] hat das Deutsche zwar nicht, aber das kurze [ʊ] ist hinreichend ähnlich, um dafür eingesetzt werden zu können.
  • [ŋɡ̊] – das isländische [ɡ̊] ist dem deutschen [ɡ] grundsätzlich ähnlicher als dem [k], und zwar, wie bereits bei [b] und [p] erwähnt, weil die stimmlosen Laute im Deutschen in vielen Positionen aspiriert gesprochen werden, während die phonemisch stimmhaften Laute in Wirklichkeit bloß schwach stimm­haft und unaspiriert artikuliert werden. Im konkreten Fall neige ich allerdings dazu, die Ersetzung des isländischen Lauts durch ein deutsches [k] zu empfehlen, und zwar aus Gründen des Höreindrucks des Originals: Nach dem stimmhaften Nasal [ŋ], der im Deutschen nahezu identisch existiert, wird [ɡ] stärker stimmhaft gesprochen als in anderen Positionen. Die Wiedergabe als [k], das seinerseits in dieser zwar silbeninitialen, aber unbetonten Position allenfalls schwach aspiriert würde, scheint mir der tatsächlichen Aussprache des Isländischen näher zu kommen. Dass man bei der Ersetzung durch [k] Anklänge an Bunga-Bunga-Partys vermeidet, ist ein unbedeutender Vorteil am Rande.

Nimmt man all dies zusammen, kommt man auf [ˈbaʊ̯ðaɐ̯ˌbʊŋka] bzw. [ˈbaʊ̯daɐ̯ˌbʊŋka] als Eindeutschungen der isländischen Lautung. Wenn wir einen Blick auf die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF werfen, sehen wir, dass die tagesschau – nach ein paar Fehlstarts, bei denen ›á‹ vom jeweiligen Sprecher nicht als Diphthong erkannt wurde – zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen ist wie ich, wohl einer Empfehlung der ARD-Aussprachedatenbank folgend. Das isländische ›ð‹ wird konsequent als [d] realisiert. Statt [ŋk] ist im Ersten allerdings [ŋɡ] zu hören – vermutlich im Bemühen, die Entfernung zwischen Aussprache und Schriftbild nicht zu groß werden zu lassen. Der Zuschauer könnte bei der von mir empfohlenen Eindeutschung ja denken, der Vulkan schreibe sich ›-bunka‹ (wobei ich die dadurch entstehenden Missverständnisse für vernachlässigbar halte). Da das ZDF über so etwas Nützliches wie eine professionelle Aussprachedatenbank nicht verfügt, ist es in den heute-Sendungen vom ersten bis zum bisher letzten Auftreten des Bárðarbunga bei einem monophthongischen ›á‹ geblieben. Sollte das eine bewusste redaktionelle Entscheidung gewesen sein, halte ich sie für nicht unbedingt klug.

Bye bye, TheAntiqua

Seit Samstag, dem 19. April 2014, 20 Uhr werden die Sendungen von ARD-aktuell – tagesschau, tagesthemen, nachtmagazin usw. – aus einem neuen Studio und in neuer Gestaltung ausgestrahlt. Über Studio, Titelmelodie und viele andere Aspekte des neuen Layouts ist bereits genug gesagt worden. Über die neue Typografie habe ich nur an einer Stelle etwas gelesen, und das stimmte nicht mal – aber dazu später mehr. Fangen wir erst mal von vorne an: beim Indikativ. Die tagesschau verwendet seit 1997 verschiedene Schriftarten aus der von Lucas de Groot entworfenen Thesis-Schriftsippe, die damals noch keine fünf Jahre alt war. An erster Stelle im typografischen Konzept stand immer TheSans, das serifenlose Sippenmitglied. Auch die Wortmarken, mit der die Sendungen eröffnet werden, waren stets direkt aus TheSans gesetzt – jedenfalls bis 2012, als die Vorspänne zuletzt renoviert wurden und auf einmal eine merkwürdige Mischung aus der normalen, proportionalen TheSans und der Festbreitenvariante TheSansMono SemiCondensed auftauchte. Das sah dann so aus:

Einige Buchstaben – vor allem ›t‹, ›s‹ und ›c‹ – sind breiter als in der proportionalen TheSans und sorgen für ein gedrungeneres Erscheinungsbild der Wortmarke. Dass die Sendungsnamen nicht komplett aus der nicht-proportionalen TheSansMono gesetzt wurden, zeigte sich bei den tagesthemen und dem nachtmagazin, deren Schriftzüge nicht das in Festbreitenschriften immer massiv gequetschte ›m‹ aufweisen, sondern das normale, vollbreite ›m‹ der gewöhnlichen TheSans. Das lieblos wirkende Spacing der Buchstaben im oben gezeigten Schriftzug habe ich übrigens nicht erfunden; so wurde die Wortmarke bis letzten Samstag verwendet. Ersetzt wurde sie nun durch eine Version, die wieder aus TheSans gesetzt wurde, und zwar ohne wesentliche Veränderungen an den Buchstabenabständen:

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