Ich finde es bedauerlich, dass Namen von Personen, die in deutschen Medien auftauchen, mehr oder weniger systematisch falsch geschrieben werden. Diakritika – also Sonderzeichen auf den Buchstaben wie Akzente und dergleichen – fallen fast immer weg, wenn es nicht gerade um Deutsch oder die gängigsten Fremdsprachen wie Französisch, Italienisch oder Spanisch geht. Ich spreche nicht von unterschiedlichen oder inkonsistenten Transkriptionen aus anderen Schriften, sondern von der Wiedergabe von Namen aus Sprachen, die ebenfalls mit dem lateinischen Alphabet geschrieben werden. Mir fällt kaum eine Zeitung und schon gar keine Fernsehsendung ein, die konsequent auf die korrekte Schreibweise achtet. Rühmliche Ausnahmen (zumindest manchmal) sind die Zeit und die Süddeutsche. Einen Tiefpunkt dagegen markierte die gestrige Ausgabe der tagesthemen: In deren erstem Beitrag zum Ergenekon-Prozess in der Türkei tauchte eine Anwältin namens, laut Insert, Nazli Nogulkoc auf. Das kam mir schon etwas verdächtig vor; der Autor des Films, Michael Schramm, gab sich nämlich Mühe mit der Aussprache des Namens und die stimmte mit der gezeigten Schreibweise kaum überein. Nach einer kurzen Suche war klar: Die Frau heißt Nazlı Moğulkoç, was im Türkischen [naˈzlɯ̈ moulˈkot͡ʃ] lautet. Wenn man den Tippfehler am Anfang des Nachnamens hinzurechnet, ist knapp ein Drittel der Zeichen also falsch oder unvollständig. Warum ist das schlecht? Ich finde, es spricht für mangelnden Respekt gegenüber der Person, die zitiert oder gezeigt wird. So wie man sich einerseits bemüht, inhaltliche Aussagen korrekt wiederzugeben, sollte andererseits auch die formale Seite stimmen. Fast jeder ärgert sich, wenn sein Name falsch ausgesprochen oder geschrieben wird. Gerade denjenigen, die nicht jeden Tag in der Zeitung stehen oder fürs Fernsehen interviewt werden, kann so ein Fehler die Freude am Artikel oder Beitrag sehr verderben. Ein Deutscher namens Jörg Müller wäre vermutlich auch eher befremdet als erfreut, in ausländischer Presse als Jorg Nuller vorzukommen. In der Vergangenheit war es oft schwierig bis unmöglich, die korrekten Sonderzeichen aufs Papier oder den Bildschirm zu bringen. Außer bei stark veralteten Systemen gilt diese Begründung heute jedoch nicht mehr. TheAntiqua – die Schriftart, die von den tagesthemen in Inserts verwendet wird – enthält selbstverständlich sämtliche benötigte Sonderzeichen, wie die unten stehende Abbildung zeigt:
Da Inserts üblicherweise nicht mit dem Beitrag übermittelt, sondern live dazugefahren und demnach von einer Person, die nicht mit Autor des Films identisch ist, eingegeben werden, ist die Kommunikation zwischen Reporter und Redaktion die letzte Stelle, an der die korrekte Schreibweise im Einzelfall scheitern kann. Das kann passieren, aber sollte, wie gesagt, auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Zudem ist es auch der Redaktion nicht verboten, nachzufragen oder dieselbe Recherche wie ich durchzuführen; Letzteres dauert ein paar Sekunden, was selbst bei engen Zeitplänen nicht zu lang sein sollte. Es sollte nicht zu lang sein, weil ein nachlässiger Umgang mit formalen Details dem Verdacht Nahrung gibt, dass mit inhaltlichen Einzelheiten ähnlich verfahren wird – auch wenn dem nicht so ist. Nazlı Moğulkoç dürfte den tagesthemen-Beitrag nicht gesehen haben, aber ich könnte mir vorstellen, dass es ihr auch lieber gewesen wäre, nicht als Nazli Nogulkoc im deutschen Fernsehen zu erscheinen.
Tal der Diakritika
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