Sprachvergleich ist oft interessant – nicht zuletzt bei nah verwandten Idiomen wie dem Deutschen, dem Groninger Dialekt und dem Niederländischen. In allen drei Sprachen lassen sich Kombinationen von Modal- und Wahrnehmungsverben (der Einfachheit halber hier ›Hilfsverben‹ genannt) und Vollverben bilden, wobei das Hilfsverb als finite Form erscheint: er kann mir helfen, er hört mich reden im Deutschen; hai kin mie helpen, hai heurt mie proaten auf Gronings; hij kan me helpen, hij hoort me praten im Niederländischen. Alles kein Problem. Diese Sätze lassen sich auch ins Perfekt setzen. Und dann wird’s lustig, denn es stellen sich Fragen: Verhalten sich Modal- und Wahrnehmungsverben identisch? Steht in der Verbalgruppe erst das Vollverb oder erst das Hilfsverb? Welche Rolle spielt der infinitivus pro participio (IPP)? So bezeichnet man einen Infinitiv, der in Positionen auftritt, die in weniger komplexen Konstruktionen vom Partizip Perfekt besetzt werden. Die folgende Übersicht zeigt, was in den drei Varietäten möglich ist. ›V-fin‹ steht für das finite Verb, ›Inf‹ für Infinitivformen, ›PP‹ für Partizipien. Rot schattierte Felder zeigen ungrammatische Formen, grün schattierte mögliche und präferierte Formen; dazwischen stehen die orangefarbenen Felder für mögliche, aber weniger bevorzugte und häufige Formen. Die drei Sprachen zeigen sich insgesamt erstaunlich eigenständig: Die Form beispielsweise, die im Groninger Dialekt am ältesten und verbreitetsten ist, kommt entweder in keiner der anderen Varietäten vor (bei den Modalverben) oder nur als weniger häufige Nebenform im Deutschen (bei den Wahrnehmungsverben). Die selteneren, dispräferierten Formen des Gronings dürften durch Sprachkontakt mit dem Niederländischen entstanden sein. Es wäre interessant zu erfahren, ob eine der präferierten Formen des Deutschen oder des Gronings in einer früheren Entwicklungsstufe des Niederländischen noch möglich war. Dazu sind mir aber bisher keine Quellen in die Hände gefallen.
Hilfsverbkombinationen im Perfekt
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