2011 wurde Supria Sans bei HVD Fonts veröffentlicht, eine serifenlose Schriftart von Hannes von Döhren. 2012 erschien Adelle Sans von Veronika Burian & José Scaglione bei TypeTogether. Im Juni dieses Jahres brachte Jos Buivenga bei exljbris Tenso heraus. Auf den ersten, flüchtigen Blick scheinen die Unterschiede vor allem in der Weite der Buchstaben zu liegen (und der Form des ›g‹):
Sind Adelle Sans und Tenso also Me-too-Schriften, die bloß das Erfolgskonzept der Supria kopieren? Ich würde sagen: nein. Nach meinem Eindruck haben alle drei Schriftarten sowohl gestalterisch als auch in anderer Hinsicht ihre Daseinsberechtigung. Jede von ihnen hat ein Merkmal, das sie von mindestens einer der anderen Schriftarten absetzt. Im Einzelnen:
- Supria Sans
Abgesehen davon, dass die Supria Sans gewissermaßen das ›Original‹ ist, punktet sie in zweierlei Hinsicht: Erstens bringt sie nicht nur einen, sondern gleich zwei schräge Schnitte mit, und zwar sowohl eine Kursive (mit eher handschriftlichem Duktus – oben) als auch eine Oblique (mit stärker an die Aufrechte angelehnter Konstruktion – unten).
Zweitens gibt es die Supria Sans als einzige der drei Schriftarten auch Condensed. In beiden Breiten sind Kapitälchen verfügbar (inklusive Kapitälchenziffern), und zwar in allen sechs Strichstärken von Light bis Black (Letztere im Bild):
Die Condensed hat ca. 85% der Breite der normalen Supria Sans.Einzelschnitte der Supria Sans kosten bei MyFonts 50 $. Wer die gesamte Familie erwirbt, zahlt knapp 25 $ pro Schnitt (rund 450 $ insgesamt) bzw., wenn man auch noch die Condensed dazunimmt, 20 $ pro Schnitt (rund 800 $ insgesamt).
- Adelle Sans
Die Adelle Sans zeichnet sich erstens dadurch aus, dass es sie in mehr Strichstärken gibt als die beiden anderen Schriftarten, nämlich sieben von Thin bis Heavy.
Zweitens ist die Adelle Sans die einzige der drei Schriftarten, zu der es eine Slab Serif, also eine Serifenbetonte, als passendes Gegenstück gibt. Die Adelle, bereits 2009 erschienen, harmoniert hinsichtlich der Versal- und x-Höhe, der Strichstärke und des Zeichenvorrats natürlich perfekt mit der Adelle Sans. Mit wenig Aufwand erreicht man so eine vielleicht nicht gerade aufsehenerregende, aber solide Schriftpaarung.
Die Adelle Sans ist die teuerste der Schriftfamilien: Pro Einzelschnitt kostet sie 69 $. Im Paket aller Sans-Schnitte reduziert sich der Preis auf gut 42 $ (rund 600 $ insgesamt) bzw. gut 33 $, wenn man Sans und Serif auf einen Schlag kauft (935 $ insgesamt). - Tenso
Ein großes Plus der Tenso ist ihr Preis. Den aufrechten Regular-Schnitt zum Ausprobieren gibt’s, wie schon häufiger bei exljbris, kostenlos. Alle anderen Einzelschnitte bekommt man für freundliche 20 $. Im Paket gekauft reduziert sich der Preis sogar auf rund 10 $ pro Schnitt (knapp 100 $ insgesamt). Dafür gibt es auch ›nur‹ fünf Strichstärken, keine Kapitälchen und ausschließlich tabellarische Versalziffern. Ansonsten ist der Zeichensatz aber vollständig – wenngleich die anderen noch ein paar Icons oder Pfeilchen mehr mitbringen, die aber nach meiner Erfahrung eher das Schriftmuster zieren als in der Praxis großen Nutzen zu entfalten.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Tenso ist ihre Kursive. Sie vereint Statisches mit Dynamischem, läuft schmal und neigt sich vor allem um beeindruckende 15 Grad nach rechts. Die der Supria Sans kommt nur auf 10 Grad Neigung, die der Adelle Sans sogar nur auf 8 Grad. Nicht, dass ein größerer Neigungswinkel für eine bessere Kursive spräche, aber wer auf richtig schiefe Buchstaben steht, wird eben nur bei der Tenso fündig.
Und welche soll ich jetzt nehmen? Das kommt, wie erläutert, auf den Anwendungszweck an. Wer schmale Schnitte braucht, wird um die Supria Sans schwer herumkommen. Wer eine passende Slab Serif sucht, greift eher zur Adelle Sans als zur Tenso. Die ist dafür auch drin, wenn das Budget für Schriftlizenzen im zweistelligen Bereich liegt. Wenn das alles keine relevanten Faktoren sind, würde ich wahrscheinlich die Adelle Sans wählen. Ich finde sie in allen Details sorgfältig gezeichnet und für alle Eventualitäten gut ausgestattet – eine insgesamt runde Schrift, die ich mir in vielen Kontexten problemlos vorstellen kann. Aber das ist letztlich eine persönliche Präferenz, nicht mehr.