Verbvalenz in der Werbesprache

Es kommt selten vor, dass ich einen Werbeslogan originell oder gar witzig finde. Grund genug, zu notieren, wenn es doch mal vorkommt. Der Slogan, um den es geht, ist kein Markenslogan, sondern bewirbt die aktuelle Treuepunkte-Kampagne von Penny. Das Verfahren ist das Übliche: Wenn man bei Penny für mehr als fünf Euro einkauft, bekommt man – je nach Kaufbetrag – eine bestimmte Anzahl von Klebepunkten, die man in einem Heftchen sammeln und später für Kochgeschirr einlösen kann. Der Slogan dazu ist ›Punkten, sparen, garen.‹ Warum ist das witzig oder gar originell? Weil sich die beiden letzten Wörter reimen? Das ist nett, aber, wie ich glaube, nicht der Kern der Sache.

Die Wirkung, die dieser Slogan auf mich hat, sehe ich in der Valenz der Verben begründet. Valenz? Kurzer Blick in Bußmann: Venn-Diagramm, Variabilität, Valenzianisch – ah, da, Valenz. »Aus der Chemie entlehnter Begriff […], dessen Übertragung in die Sprachwissenschaft allgemein Tesnière [tɛˈnjɛːʁ; C. B.] zugeschrieben wird. […] V. ist die Eigenschaft eines Lexems […], seine syntaktischen Umgebungen vorzustrukturieren, indem es anderen Konstituenten im Satz Bedingungen bezüglich ihrer grammatischen Eigenschaften auferlegt.« Konkret gemeint ist damit, dass die Verwendung etwa eines Verbs erfordert, dass man es mit bestimmten anderen syntaktischen Elementen kombiniert. Das Verb ›wohnen‹ zum Beispiel ist zweiwertig: Es erfordert ein Subjekt und eine lokale (Wo?) oder modale (Wie?) Ergänzung. Einfach nur ›Sie wohnt‹ ist zu wenig, aber ›Sie wohnt hier‹ (Wo wohnt sie?) oder ›Sie wohnt zur Miete‹ (Wie wohnt sie?) ist in Ordnung. Auch Adjektive können eine bestimmte Valenz haben: ›behilflich‹ zum Beispiel verlangt eine Ergänzung im Dativ (jemandem behilflich sein); Substantive verlangen dagegen selten nicht weglassbare Ergänzungen. Aber was hat das mit dem Penny-Slogan zu tun?

Der Reihe nach: Das erste der drei Verben in dem Slogan – ›punkten‹ – ist ein einwertiges (oder einstelliges und, im weiteren Sinne, intransitives) Verb. In der Bedeutung, die es hier hat, nämlich »Punkte sammeln«, fordert es nur ein Subjekt: ›Sie hat gepunktet‹ – das ist ein vollständiger Satz. Fakultative Angaben in Präpositionalphrasen sind möglich und üblich: ›Sie hat im letzten Heimspiel wieder nicht gepunktet‹ oder ›Mit so einer Idee wirst du bei deiner Chefin kaum punkten können‹. Im Kontext einer Treuepunkte-Kampagne ist die Verwendung von ›punkten‹ nicht besonders innovativ (zumal Penny selbst schon mal eine Kampagne ›Punkten & Prosten‹ hatte, bei der man Gläser günstiger bekommen konnte). Klar ist in jedem Fall, dass es sich um ein in der Regel objektloses Verb handelt.

Weiter zum zweiten Verb: ›sparen‹. Welche Valenz hat das? In der hier vermutlich gemeinten Bedeutung, die der duden als »nicht verwenden, nicht gebrauchen, nicht aufwenden, nicht ausgeben« definiert, ist ›sparen‹ in der Regel zweiwertig; es fordert neben einem Subjekt ein Akkusativobjekt. ›Wir sparen eine Menge Geld‹ oder, in übertragener Bedeutung, ›Die Mühe kannst du dir sparen‹. Einwertiger Gebrauch wäre unüblich. Allerdings hat ›sparen‹ noch eine Reihe weiterer Bedeutungen, die mit der hier wohl intendierten verwandt sind und bei denen sich das Verb syntaktisch anders verhält. In der Bedeutung »sparsam, haushälterisch sein; bestrebt sein, von etwas möglichst wenig zu verbrauchen« ist ›sparen‹ sehr wohl oft einwertig: ›Wir müssen sparen‹ oder ›Sie schafft es nicht, zu sparen‹. In der Bedeutung »Geld nicht ausgeben, sondern [für einen bestimmten Zweck] zurücklegen« ist zweiwertiger Gebrauch gängig, wobei präpositionale Objekte (›Sie sparen für ein Häuschen im Grünen‹) nach meinem Eindruck häufiger vorkommen als Akkusativobjekte (›Er hat schon tausend Euro gespart‹). Im Hinblick auf die Valenz kann man also nicht alle Bedeutungen von ›sparen‹ über einen Kamm scheren: einwertige Verwendungen sind häufig, aber zweiwertige ebenso gängig. Unentschieden.

Dann noch Nummer drei: ›garen‹. Hier liegt der (gegarte) Hund begraben. Zunächst einmal fällt auf, dass dieses Verb in deutschen Texten seltener vorkommt als die beiden anderen: Laut dem Wortschatz-Korpus der Uni Leipzig ist ›sparen‹ mit Häufigkeitsklasse 9 das frequenteste der drei Verben (was Häufigkeitsklassen sind, steht hier). ›Punkten‹ kommt mit Klasse 11 dahinter. ›Garen‹ ist mit Klasse 14 noch ein ganzes Stück seltener. Das ist an sich schon mal recht nett, in einem Slogan so einem vergleichsweise seltenen Verb zu begegnen. Das Interessantere ist die Valenz: ›Garen‹ ist nämlich obligatorisch zweiwertig. Es verlangt, neben einem Subjekt, ein Akkusativobjekt. ›Sie gart‹ ist kein vollständiger Satz, ›Sie gart den Reis‹ dagegen schon. Mit wenigen Ausnahmen* gibt es keine andere Möglichkeit, das Verb anders als zweiwertig zu konstruieren. Gleichzeitig ist es so, dass es im Kontext des Slogans ohne jegliche Ergänzungen verwendet wird. Das syntaktische Subjekt vermisse ich nicht sehr, denn man kann sich denken, wer das logische Subjekt ist: der Kunde, der diese Treuepunkte sammelt und damit eine Pfanne günstiger bekommt. Das fehlende Objekt, das man nur sehr allgemein – irgendwelches Essen – für sich ergänzen kann, erzielt dagegen einen leicht schrägen, aber amüsanten Effekt, ungeachtet der Tatsache, dass intransitive Verwendungen transitiver Verben gerade in der Werbesprache nicht neu sind.

Kurz zusammengefasst: Der Witz an ›Punkten, sparen, garen‹ ist aus meiner Sicht dreierlei. Erstens ist es witzig, dass von den drei Verben das erste vorzugsweise einstellig, das zweite mal ein-, mal zweistellig und das dritte vorzugsweise zweistellig konstruiert wird. Der Slogan wird also von links nach rechts immer transitiver. Zweitens setzt die Verwendung des nicht gerade exotischen, aber – im Kontext eines Werbeslogans – alles andere als hochfrequenten Verbs ›garen‹ einen Akzent, den ich hier nicht erwartet hätte. Drittens sticht ›garen‹ als üblicherweise transitiv gebrauchtes Verb darüber hinaus durch seine intransitive Verwendung hervor. Ich bezweifle, dass diejenigen, die diesen Slogan ersonnen haben, sich auch nur eines dieser drei Punkte bewusst waren. Doch vielleicht haben sie intuitiv den kombinierten Effekt der verschiedenen Aspekte be- und gemerkt, dass der Slogan auf diese Weise origineller wäre als etwa ein Slogan mit ausschließlich intransitiven oder hochfrequenten Verben. So genial, dass ich anfangen würde, Treuepunkte zu sammeln, ist der Slogan dann allerdings auch wieder nicht.

* Zur Ausnahme: In Sätzen wie ›Der Reis gart‹ kann das Verb unakkusativisch (und in diesem Fall antikausativ) verwendet werden. Als ›unakkusativisch‹ bezeichnet man eine Teilmenge einstelliger (oder, im weiteren Sinne, intransitiver) Verb(bedeutung)en, deren Subjekte sich semantisch und syntaktisch wie Objekte verhalten. ›Antikausativ‹ steht für eine Valenzoperation, bei der das Agens – der Handelnde, der oft als syntaktisches Subjekt ausgedrückt wird – getilgt wird; nur das Patiens – das Behandelte, das typischerweise als Objekt ausgedrückt wird – bleibt stehen und rutscht syntaktisch in die Subjektposition. Das ist zum Beispiel im Fall von ›Der Reis gart‹ geschehen. Der Handelnde, also der Garende, wird nicht genannt; das Behandelte, also das Gegarte (der Reis), bleibt übrig und wird zum syntaktischen Subjekt. Das ist in dem Slogan, um den es hier geht, aber offensichtlich nicht gemeint.

Ein Gedanke zu „Verbvalenz in der Werbesprache

  1. Hans Wurst

    Naja, so sonderlich auffällig ist die ‚einwertige‘ Verwendung von garen nun auch wieder nicht. Wenn man sich mal klar macht, dass es sich hier um sog. Aufforderungsinfinitive oder direktive Infinitive handelt, dann merkt man schnell, dass die sehr häufig ‚einwertig‘ verwendet werden. Kochbücher, Reparaturhandbücher, Betriebsanleitungen und die meisten Inskriptionen (z. B. Gebots- und Verbotsschilder im öffentlichen Raum) bestehen fast ausschließlich aus ‚einwertig‘ verwendeten direktiven Infinitiven. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Verben in-, di- oder transitiv sind.

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