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Doppelt downloaden – auf Deutsch und auf Niederländisch

Wer ein Perfekt will, braucht ein Partizip. Das haben sich die meisten vermutlich schon gedacht. Aber wie kommt man an ein Partizip? Im Deutschen und im Niederländischen funktioniert das ziemlich ähnlich. Nehmen wir mal ein nicht zusammengesetztes schwaches Verb. Hierbei nimmt man für das Partizip Perfekt den Verbstamm (also das, was vom Verb übrig bleibt, wenn man das en der Grundform, des Infinitivs weglässt), klebt ge davor und t dahinter. Das ergibt: packen  gepackt und pakken  gepakt. Im Niederländischen gibt es noch die Besonderheit, dass das t ein d sein kann, wenn der Verbstamm mit bestimmten Lauten endet (z. B. fällen  gefällt vs. vellen  geveld). Kommen Vorsilben (Präfixe) ins Spiel, verhalten sich die Sprachen ebenfalls ähnlich. Liegt die Betonung auf dem Präfix, kommt ge zwischen das Präfix und den Stamm: auspacken  ausgepackt und uitpakken  uitgepakt. Das sind sogenannte trennbare Verben, da sich das Präfix in manchen Formen vom Stamm löst: ich packe aus und ik pak uit. Liegt die Betonung auf dem Stamm und nicht auf dem Präfix, fällt das ge weg: verpacken  verpackt und verpakken  verpakt. Diese Verben sind nicht trennbar, da sich das Präfix nie vom Stamm löst: ich verpacke und ik verpak. Ein Unterschied zwischen Niederländisch und Deutsch ist der Umgang mit Verben, die keine Vorsilben haben und bei denen trotzdem die Betonung auf einer anderen als der ersten Silbe liegt. Im Deutschen verhalten sich diese Verben wie Verben mit unbetonten Präfixen: massieren  massiert. Im Niederländischen wird, wie bei einfachen Verben mit Erstbetonung, ein ge davor geklebt und ein t oder d dahinter: masseren  gemasseerd. Das alles kann man in jedem Lehrbuch für Deutsch oder Niederländisch nachlesen – also, warum erzähle ich das hier?

Es gibt Verben, die sich innerhalb dieses Schemas unerwartet verhalten oder bei denen sich innerhalb der Standardsprache Variation ergibt. Das sind nicht unbedingt Verben, die seit hunderten von Jahren in den beiden Sprachen vorkommen, sondern Neuzugänge – zum Beispiel aus dem Englischen. Wie verhält es sich zum Beispiel mit downloaden, das im Deutschen und Niederländischen in dieser Form vorkommt? Die erste Frage wäre, ob es sich hier um ein Wort mit einem Präfix handelt. Im Englischen würde man die Frage wohl mit Ja beantworten – so wie sie auch im Deutschen für das Äquivalent herunterladen zu bejahen wäre. Down ist das Präfix, load(en) die Basis. Nehmen wir an, das Wort würde im Deutschen und Niederländischen wie ein Verb mit betontem Präfix behandelt. Dann müsste das Partizip Perfekt downgeloadet bzw. downgeload lauten. Aber Präfixe aus anderen Sprachen werden, wenn Wörter entlehnt werden, in der Zielsprache nicht immer als solche erkannt. Wenn downloaden im Deutschen und Niederländischen wie ein einfaches Wort mit Initialbetonung behandelt würde, müsste das Partizip gedownloadet bzw. gedownload lauten. (Dass es im Deutschen auch noch orthografische Variation gibt, wenn bisweilen downgeloaded mit englisch anmutender, aber in den amtlichen Rechtschreibregeln nicht vorgesehener -ed-Endung geschrieben wird, ignoriere ich an dieser Stelle.)

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Der Vater und die Freundin:
Definitartikel in possessiver Verwendung

Wenn man im Deutschen auf etwas Definites verweisen will, hat man die Wahl zwischen verschiedenen Artikelwörtern. Man kann den Definitartikel (auch: bestimmter Artikel) wählen: ›der Baum‹. Demonstrativartikel werden ebenfalls üblicherweise als definit aufgefasst: ›Dieser Baum‹ und ›jener Baum‹ sind zwei bestimmte Bäume. Das Gleiche gilt für Possessivartikel: ›Mein Baum‹ ist nicht irgendein Baum. Diese Artikelwörter sind aufgrund ihrer Bedeutung meist nicht gegeneinander austauschbar – aber manchmal anscheinend doch. Ich bin vor Kurzem auf eine Konstruktion gestoßen, in der einige Sprecherinnen und Sprecher Possessivartikel durch Definitartikel ersetzen. Gelesen habe ich im Techniktagebuch (für das ich selbst auch schreibe) den folgenden Satz, der am Anfang eines Textes steht:

Wenn wir mit einem Mietwagen in fremden Gegenden unterwegs sind, haben wir – der Mann und ich – immer unser eigenes Navigationsgerät […] dabei.

›Der Mann‹ ist in diesem Text der erste Verweis auf eine Person, bei der es sich um den Ehemann der Autorin zu handeln scheint. Das klingt ungewöhnlich in meinen Ohren. Wenn ich ›der Mann‹ lese, erwarte ich, dass es um eine Person geht, die bereits in den Text eingeführt wurde (›Ich sah einen Mann mit einem grauen Schlapphut. Der Mann …‹), oder dass das definite Nomen im Satz selbst näher bestimmt wird, zum Beispiel in Form einer eingebetteten Possessivphrase (›der Mann meines Chefs‹) bzw. eines erklärenden Nebensatzes (›der Mann, der hier auf der Ecke wohnt‹). Das alles ist in dem Satz aus dem Techniktagebuch nicht der Fall. ›Der Mann‹ wird weder näher bestimmt noch wurde er bereits vorgestellt. Ich hätte an dieser Stelle ›mein Mann‹ geschrieben, also einen possessiven Artikel verwendet – aber ich glaube nicht, dass die Autorin des Textes einen Fehler gemacht hat. Zum einen geht es in dem zitierten Text noch ein paar Mal um ihren Ehemann, der in allen Fällen mit ›der Mann‹ bezeichnet wird (wo ich jeweils an ›mein Mann‹ festhalten würde). Diese Konstruktion wird von ihr also systematisch verwendet. Zum anderen stößt man beim Blättern im Techniktagebuch, das ich hier als kleines, bequem durchsuchbares Korpus verwenden möchte, auf weitere Belege desselben Typs:

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